- Bürgerinitiative Mittlerer Landweg
- Bürgerinitiative ’Erhaltet die Marschlande’
- Dorfgemeinschaft Billwärder an der Bille e.V.
- Graumannhof
- Michael Ostendorf, Pastor, Ev.-luth. Kirchengemeinde Moorfleet-Allermöhe-Reitbrook
Hamburg 25.9.2015
Freie und Hansestadt Hamburg
An den Senator der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie, Integration
Hamburger Straße 47
22083 Hamburg
Geplanter Wohnungsbau für ein Flüchtlingsquartier auf wertvollen Grünflächen
Bereich ’Mittlerer Landweg - Gleisdreieck’ in Hamburg-Allermöhe Drucksachen-Nr. 20-0551 vom 14.09.2015
Antrag auf Reduzierung der geplanten Bebauung und Berücksichtigung des Umfeldes
Sehr geehrter Herr Senator,
wie wir seitens politischer Gremien und aus den aktuellen Berichten der Tagespresse erfuhren, ist die Bebauung des sog. Gleisdreiecks geplant. Es handelt sich hierbei um eine Fläche im Bereich der Straße Mittlerer Landweg, die von außerordentlich wichtiger Bedeutung für den Naturschutz ist.
In der Tagespresse wurde hierzu berichtet, dass das ganze Gebiet mit Wohnhäusern für 3.000 Flüchtlinge bebaut werden soll.
Naturschutz
Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, gelten die "Vier- und Marschlande" überregional als “noch“ intaktes Grüngebiet mit Landwirtschaft, Naherholung und als Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten.
Die bislang errichteten Gewerbe- und Industriebebauungen im Bereich der Autobahnen A1 / A25 stellen bereits einen erheblichen Einschnitt in diese ökologisch wichtigen Grünflächen dar. Hinzu kommt der ausgedehnte Bereich des Neubaugebietes Allermöhe West.
Die noch vorhandenen Grünflächen beidseitig der Straße ’Mittlerer Landweg’ sind somit der letzte Landschaftskorridor und der einzige Biotopverbund zwischen dem international bedeutsamen Naturschutzgebiet ’Boberger Niederung’ und der ’Dove Elbe’ mit Anschluß an das Naturschutzgebiet ’Die Reit’.
Dieser Landschaftskorridor dient vielen Tier- und Vogelarten als Brut- und Nistplatz, für die Nahrungssuche und als Durchzugsverbindung zwischen den genannten Gebieten. Sie brauchen die optische Verbindung. Biotopverbindungen werden zudem von der EU gefordert und der Erhalt gefördert.
Einige der hier vorkommenden Tier- bzw. Vogelarten sind bereits als ’stark gefährdet’ und teilweise sogar als ’vom Aussterben bedroht’ eingestuft worden. Hierzu gehört u.a. die Uferschnepfe, die bereits in der roten Liste geführt wird. Sie brütet nachweislich mit mehreren
Paaren in der Nähe des Gleisdreiecks auf Flächen, die in 2014 / 2015 mit erheblichem Aufwand für den Naturerhalt hergerichtet und gesichert wurden.
Weitere bedrohte / gefährdete Tier- und Vogelarten, die in diesem Gebiet vorkommen, sind u.a.: Bekassine, Rebhuhn, Feldhase, Weißstorch, Kiebitz und der Haussperling.
Die anliegende Karte zeigt deutlich, dass der Biotopverbund der vorgenannten Gebiete, bereits jetzt schon wie ein “zu enges Korsett“, nur noch in geringer Breite vorhanden ist.
Eine umfangreiche Bebauung der Fläche ’Gleisdreieck’ würde diesen Biotopverbund unwiederbringlich zerstören.
Geologie, Grundwasserproblematik
Für die angedachte Bebauung müßte das gesamte Gebiet mindestens 2m hoch aufgeschüttet werden. Die hiesigen Bodenverhältnisse, mit Lehmschichten bis in große Tiefen, lassen eine normale Gründung nicht zu. Eine solch massive und großflächige Aufschüttung, mit der anschließenden Versiegelung der Flächen durch die Bebauung, hätte katastrophale Folgen für die umliegenden Häuser.
Bereits bei den Aufschüttungen zum Bau des Gewerbegebietes Allermöhe, und der anschließenden Massenversiegelung der Flächen, wurden umliegende Häuser geschädigt, da der Grundwasserspiegel nachhaltig verändert wurde. Dieses gilt auch für Häuser die etwas weiter entfernt liegen.
Durch die tiefen Ton- und Lehmschichten kann das Wasser nicht versickern. Es wird förmlich zur Seite, in die Häuser, gedrückt.
Infrastruktur
Seit der Schließung des P+R Parkplatzes am Bahnhof Mittlerer Landweg, für die Errichtung eines Flüchtlingsquartieres für 160 Personen, herrscht hier ein Verkehrschaos. Es wurden, obwohl von den Anwohnern Alternativen aufgezeigt, keine Ersatzflächen angeboten. Die Aufstellung von zusätzlichen Halteverbotschildern kann keine Entspannung bewirken. Der Bedarf an Parkraum ist nun einmal gegeben.
Von der Brücke über den Landscheidekanal bis zur Kreuzung am Billwerder Billdeich, wird insbesondere werktags, die Straße einseitig zugeparkt. Ein Durchkommen bei Gegenverkehr ist oft nur unter gefährlichen und sehr erschwerten Bedingungen möglich. Der Schulweg der Kinder, sowohl zum Bahnhof, als auch zur Schule Mittlerer Landweg, ist jetzt verkehrstechnisch unübersichtlich und sehr gefährlich.
Für Eltern, die Ihre Kinder zur Schule oder zum Kindergarten bringen und wieder abholen müssen, ist dieses nicht mehr gefahrlos bzw. nur unter sehr schweren Bedingungen möglich, weil die sonst üblichen Parkmöglichkeiten nun bereits überfüllt sind.
Abgesehen von der Verkehrsituation, gibt es in näherer / fußläufiger Verbindung weder Ärzte, Einkaufsmöglichkeiten oder Anlaufstellen für die Freizeitgestaltung. Die nahe gelegene Schule und der angeschlossene Kindergarten haben ebenfalls nicht die Kapazität, die zur Aufnahme der zu erwartenden Flüchtlingskinder erforderlich wäre.
Verhältnismäßigkeit, Anwohnerzahl zur Flüchtlingszahl
Die in der Presse genannte Zahl von 3.000 Flüchtlingen steht in überhaupt keinem Verhältnis zur Zahl der Anwohner. Das entspricht etwa einem Verhältnis von 1:10. Hinzu kommt noch die Flüchtlingsunterkunft, die am Bahnhof Mittlerer Landweg errichtet wird.
Eine Integration ist bei einer so hohen Anzahl nicht mehr möglich. Bekannter Weise haben jene Kulturkreise der Herkunftsländer andere Wertigkeiten hinsichtlich religiöser und geschlechtlicher Akzeptanz.
Eine derartige Komprimierung von Menschen unterschiedlicher Kultur- und Glaubenskreise kann nur noch als “Massenlager“ bezeichnet werden. Es ist bereits aus Gründen der Menschlichkeit abzulehnen. Durch Kriegsereignisse traumatisierte Menschen müssen psychologisch und mit Ruhe betreut und nicht “gettoisiert“ werden.
In Folge der kompletten Bebauung käme dann noch der damit verbundene erhöhte Verkehrsaufwand hinzu. Zum einen während der Errichtung, dann zur Versorgung des Gebietes. Und dies bei bereits jetzt schon überlasteten Verkehrsverhältnissen, wie oben dargestellt.
Zu guter letzt darf auch das über Jahrzehnte gewachsene Umfeld nicht vergessen werden. Gegenseitige Rücksicht kann nur funktionieren, wenn sie bereits in der Planung anfängt und entsprechend Berücksichtigung findet. Dann wäre auch mit umfangreicherer Hilfe der Anwohner zu rechnen.
Antrag
Aus den vorgenannten Gründen beantragen wir, die drastische Reduzierung der geplanten Baumaßnahme und der hier unterzubringenden Flüchtlingsanzahl.
Eine diesbezügliche Bebauung, in Anlehnung an die Straße, muß einen noch ausreichenden Korridor für den Biotopverbund gewährleisten. Dieser ist sonst verloren! Eine Qualität des Naturschutzes, derer sich die Stadt Hamburg bis dato rühmt.
Ein Funktionieren der Integration wäre bei einem Verhältnis 1:1 schon fraglich. Diese Anzahl würde durch uns jedoch akzeptiert. Zusammen mit dem Quartier am Bahnhof Mittlerer Landweg wäre eine Zahl um 500 - 560 Personen noch in adäquater Weise realisierbar.
Gern bieten wir Ihnen eine örtliche Führung an. Für Rückfragen stehen wir gern zur Verfügung. Eine positive Nachricht Ihrerseits erwartend,
verbleiben wir mit freundlichen Grüßen
- Bürgerinitiative ’Mittlerer Landweg’ Bürgerinitiative ’Erhaltet die Marschlande’
- Dorfgemeinschaft Billwärder an der Bille e.V.
- Graumannhof
- Michael Ostendorf, Pastor, Ev.-luth. Kirchengemeinde Moorfleet-Allermöhe-Reitbrook
Kopie:
Bürgermeister Olaf Scholz, Umweltsenator Jens Kerstan, Bezirksamt Bergedorf, BSU,
SPD, CDU, Die Grünen, FDP, AFD, Die Linke